Kreuzviertel Johanna-Melzer-Straße
Dortmund
Die Bebauung entlang der Johanna-Melzer-Straße entstammt ausnahmslos aus der Zeit des unmittelbaren Wiederaufbaus nach 1945. Die Straßenkanten sind geschlossen, die Innenhöfe zum Teil vollflächig überbaut und als Werkstätten oder geschlossene Garagen genutzt. Materialität, Oberflächenstruktur und Gliederung der Fassaden entsprechen dem damals wirtschaftlich Möglichen. Nach 60 Jahren ohne Veränderung rückt das Quartier heute in den Fokus der Stadtentwicklung.
Das Grundstück liegt innenstadtnah und ist nicht weit entfernt vom Hauptbahnhof – dem wesentlichen Verkehrsknoten zur Verknüpfung regionaler und überregionaler Ziele – z.B. Universität, Fachhochschule und Institute in Dorstfeld. So gewinnt das Quartier um die Johanna-Melzer-Straße insbesondere für Studenten, junge Familien und Freiberufler große Attraktivität.
Mit unserem Vorschlag versuchen wir, neue Wohnqualitäten einzuführen. Das Grundstück soll vom PKW-Verkehr freigehalten werden. Fahrräder und Autos parken im Erdgeschoss unter dem Vorderhaus. Vom 1.OG bis ins DG entstehen variable Wohnungen für unterschiedliche Gruppen: Singles, Paare, Wohngemeinschaften. Im hinteren Teil des Grundstücks entsteht ein kleines Ateliergebäude, das die Kanten der Nachbarn aufnimmt und zum Süden einen eigenen Hofgarten erhält. Die Fläche zwischen Vorderhaus und Ateliergebäude wird entsiegelt und als Garten der Hausgemeinschaft zur Verfügung gestellt („grün“ statt „grau“).
Der Zugang zu den Obergeschossen, zum Garten und in die Funktionsbereiche des EG erfolgt über ein zentrales Foyer mit bewusst weiträumigen Bewegungsflächen. Die Hausgemeinschaft erhält hier ein Appartement mit Raum für private Veranstaltungen, Kinderspiel etc. mit direkter Anbindung an den Garten.
„High Density - High Privacy - Low Energy“ ist das Thema der Architektursprache. Der Baukörper ist kompakt, die Erschließungsflächen ebenso und dennoch kommunikativ, die Wohneinheiten mit differenzierter Typologie und größtmöglichen privaten Freiräumen. Alle erforderlichen infrastrukturellen Einrichtungen (Abst.-Räume, Gebäudetechnik etc.) sind im Gebäude untergebracht. Im Hof befindet sich eine die beiden Hausteile verbindende Stahlpergola mit Blechdach für Fahrräder und Mülleimer. So bleibt die Freifläche um das Gebäude herum aufgeräumt.
Nutzung + Brandschutz
Das Gebäude erhält vier Obergeschosse und ein Dachgeschoss mit ein Maisonette-Wohnung. Alle Geschosse sind barrierefrei, ein Teil der Wohnungen behindertengerecht. Der erste Rettungsweg wird über den Treppenraum geführt, der zweite über die Fassade.
Konstruktion
Die primäre Tragstruktur bilden StBn-Scheiben (Giebelwände + Decken). Die Decken sind unterzugfrei und in der Untersicht glatt und ungestört. Die Grundrisse sind im Übrigen stützenfrei. Die Raumbildung wird durch leichte Trennwände erzeugt. Außenwände und Dach werden aus tragendem Porenbetonsteinen aufgemauert. Die Fassaden werden geputzt. Straßenseitig im EG gibt es eine naturfarbene silbrige Alublechverkleidung. Eingangstür, Garagentore, Klingelanlage und Briefkästen sind in dieses Fassadenbild integriert: ressourcenbewusst _ robust _ farbig _ durchlässig _ optimistisch _ energetisch.
Belichtung
Vordergebäude und Atelierhaus sind in die Blockstruktur des Quartiers eingefügt. Die Grundrisse werden über die Fassaden zur Straße und zum Garten belichtet.
Allgemeines Nachhaltigkeitskonzept
Der vorliegende Gebäudeentwurf ist durch einen vergleichsweise niedrigen Ressourcenaufwand für den Gebäudebetrieb sowie für die Gebäudeerstellung und Instandhaltung charakterisiert. Folgende Punkte finden Beachtung:
Das entwickelte Komfort- und Energiekonzept ist auf das Gebäude und auf den Standort zugeschnitten; die vorliegenden Passiv- und Effizienz-Maßnahmen garantieren die Einhaltung der erforderlichen raumklimatischen Bedingungen und führen zu einer konsequenten Reduktion des Jahresenergiebedarfes; mit Hilfe der beschriebenen Supply-Maßnahmen ist eine primärenergetisch günstige Abdeckung des Energiebedarfs über das Jahr für den Gebäudebetrieb möglich.
Eine an die Nutzung angepasste Raumakustik schafft eine optimale Wohnatmosphäre. Eine hohe Kompaktheit und ein wenig gegliedertes Gebäudevolumen versprechen einen vergleichsweise geringen Ressourcenaufwand für den Rohbau. Fensterflächen und Rahmenmaterial bestimmen maßgebend den Grauen Energieinhalt der Gebäudehülle; der Fensteranteil wird im Hinblick auf die natürliche Belichtung und im Hinblick auf den Außenbezug optimiert. Ein akzentuierter Außenbezug schafft räumliche Identitäten und fördert die Orientierung im Gebäude. Innovative Trag- und Gebäudestrukturen erlauben eine materialsparende Bauweise.
Die Flexibilität des Gebäudekonzeptes und die konzeptionelle Trennung von Bauteilen unterschiedlicher Lebenserwartung hat maßgeblichen Einfluss auf die mögliche Nutzungsdauer eines Bauwerks. Begrünte Dächer (z.B. durch „Urban Gardening“) verbessern das Mikroklima, schützen die Dachabdichtung und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Regenrückhaltung. Die Medienverteilung, das Lüftungskonzept und die Zugänglichkeiten erlauben eine einfache und zweckmäßige Reinigung, Wartung und Nachrüstung.
Vorwiegend emissionsfreie und schadstoffarme Baustoffe, einfach zu reinigende Oberflächen und das vorliegende Komfort- / Lüftungskonzept sorgen in den Innenräumen für einen hohen Gesundheits- und Hygienestandard; Beispiele hierfür sind der Deckenaufbau, die je nach Nutzung weitestgehende natürliche Raumkonditionierung und Raumlüftung. Auf die Langlebigkeit von Baustoffen und Bauteilen im Zusammenhang mit der Gebäudehülle (Fassade, Dach, Sonnenschutz) sowie im Zusammenhang mit dem haustechnischen Konzept (Beleuchtungskonzept, Lüftungskonzept, Energiekonzept, Raumkonditionierung, MSR) wird geachtet.
Daten
Studie
2017
Adresse
Johanna-Melzer-Straße 6
44147 Dortmund
Bauherr
Kreuzviertel Immobilien GmbH