Turn On Architekturfestival Wien
Auf Einladung des ÖFHF – Österreichischer Fachverband für hinterlüftete Fassaden – hält Ralf Petersen einen Vortrag auf dem Architekturfestival Turn on 2014 in Wien. Hinterlüftete Fassaden waren ein Schwerpunkt beim diesjährigen Architektur-Festival „Turn on“
Der preisgekrönte Berliner Architekt Professor Ralf Petersen war einer der renommierten Vortragenden des diesjährigen Architektur-Festivals „Turn on“. Sein äußerst umfassendes Portfolio demonstriert auch die Wertschätzung von vielseitiger Fassadengestaltung in der zeitgemäßen Architektur. Der ÖFHF hat Petersen bei dieser Gelegenheit gesprochen, um Perspektiven und Themen der VHF aus seiner Erfahrung zu erfragen. „Die Fassade der zukünftigen Architektur wird im wesentlichen zwei Wege gehen“, prognostiziert Petersen. „Auf der einen Seite sind es mehrschalige Fassaden mit vorgehängten Hüllen, bei kleineren Gebäuden werden jedoch insbesondere monolithische Fassaden berücksichtigt. Bei der VHF bei größeren Gebäuden erwarte ich neue Materialien. Gegenwärtige Tests untersuchen etwa den Einsatz textiler Materialien, etwa Gewebe als Außenhaut. Es handelt sich dabei um einerseits weiche, andererseits dennoch sehr robuste Materialien. Zudem kommen auch einfachere, nicht isolierverglaste Gussgläser zum Einsatz. Die Einfachheit in der Materialität nimmt zu.“
Diese Tendenz wird unterstützt durch die hohen Produktionskosten und den dabei eingesetzten Energieverbrauch, der mit der Gewinnung und Verarbeitung von vielen Materialien verbunden ist. Petersen sieht im Zusammenhang mit dem Life Cycle, dass etwa auch zellulosebasierte Materialien, die aus Abfallstoffen hergestellt werden können, auf dem Vormarsch sind. Selbstverständlich sind nachwachsende, organische Materialien en vogue. Die Städte insbesondere in Europa unterliegen mehr und mehr dem Urban mining-Gedanken – das heißt im Grunde, dass die Stadt der Zukunft ihre Ressourcen aus der Stadt der Gegenwart gewinnt.
Kleider wechseln wie es gefällt
Dabei wird die VHF eine ganz entscheidende Rolle einnehmen, denn sie ist sehr variabel in der Ausprägung eines Gebäudes. „Sie sind nicht angewiesen auf eine bestimmte Form, sondern können mit der VHF eine Form generieren, unabhängig von der Tragkonstruktion“, betont Petersen. „Das ist auch bei der Sanierung und Revitalisierung wichtig: Wenn Sie an den großen Bestand von 40er bis 60er-Jahr-Objekten denken, das sind vielfach Stahlbetonskelettbauten, die können jedoch durch die VHF einen ganz anderen Habitus bekommen. Mit einfachen Mitteln lassen sich so Kubatur und Erscheinungsbild modifizieren. Bei der VHF werden die Standeigenschaften nicht beeinträchtigt. So kann man das Kleid jederzeit ausziehen. Wenn man ein Kleid auszieht, kann man ein anderes überziehen. Dadurch kann etwa ein ehemaliges Industriegebäude mit geringem Aufwand ein völlig anderes, jedenfalls modernes Erscheinungsbild erhalten und später wieder ein anderes, je nach Nutzung, Präferenz und Materialwahl.“
Selbst bei größeren Herausforderungen wie sie etwa durch Barock- oder Jugendstilfassaden gegeben sind, besteht die Möglichkeit, einzelne Elemente auszutauschen. „Allerdings muss man zwischen Architekturen unterscheiden“, plädiert Petersen. „Eine Jugendstilfassade ist nach ganz anderen Kriterien entworfen als heute Fassaden gestaltet werden. Hier spielen die handwerklichen Qualitäten eine Rolle, die soll man auch nicht verstecken. Es geht ja auch nicht darum, durch permanent sich ändernde Erscheinungsformen von Gebäuden die Identität einer Stadt zu gefährden. Sondern vielmehr um objektadäquate Adaptierung. Wenn es um Energieoptimierung oder ähnliches geht, dann kann man andere Wege gehen und soll dies auf keinen Fall über eine historisch wertvolle Fassade tun. Etwa in der Innenarchitektur oder durch das Dämmen von oberster Geschoßdecke, Kellern usw.“
Selbstverständlich ist das Dämmen und Renovieren über die Fassade mit VHF zielführend und gut, historische Fassaden verlangen allerdings eine andere Lösung.
Nachhaltigkeit und Wartungsarmut sind Fragen der Konstruktion
Dass ein möglichst wartungsfreies Gebäude existiert, ist zunächst eine Aufgabe der Konstruktion. Dachüberstand, Fassaden unter Vermeidung von horizontalen Standflächen und manches mehr ist dabei wichtig. „Darüber hinaus gibt es Faktoren, die materialimmanent sind“, sagt Petersen. „Deshalb stellt sich zunächst die Frage nach dem Wunsch: Will ich eine gleichbleibende oder eine eventuell angenehm alternde Fassade? Sie haben bei Holz einfach eine Oberflächenveränderung in Farbe und Form. Das macht eine Qualität, die vielleicht gewünscht ist.“
Gar nicht gewünscht ist allerdings Parasitenbefall. Auch dafür ist in erster Linie die sachgemäße Konstruktion und erst in zweiter Linie die Materialität entscheidend. „Schimmel entsteht immer dort, wo keine Austrocknung erfolgt“, erklärt Petersen. „Die VHF ist als äußerer Schirm hilfreich, weil Feuchtigkeit und Wind nicht an die sensiblen Teile heranreichen. Ein bauphysikalisch korrekter Aufbau der Außenwandkonstruktion ist entscheidend, denn Feuchtigkeit ist der größte Gegner von Gebäuden.“
Österreichischer Fachverband für hinterlüftete Fassaden (ÖFHF) www.oefhf.at
Architekturfestival Turn on http://www.turn-on.at